Die EVP- Nationalräte im neuen Parlament

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Die EVP- Nationalräte im neuen Parlament

Ruedi Aeschbacher, Präsident der EVP Schweiz und Nationalrat, beschreibt, wie es zur CVP/EVP/glp-Fraktion gekommen ist.

Ausgangslage und Fraktionsbildungsgespräche

Die EVP hat ihren Wähleranteil in den Nationalratswahlen vom 21. Oktober 07 bekanntlich von 2,3 auf 2,4% leicht gesteigert, aber wegen einer sehr unglücklichen Konstellation im Aargau ihren dritten Nationalratssitz knapp verloren. In Bern war ein zweiter Sitz in Reichweite, doch reichte es nicht ganz. Ebenso schaffte Zürich den erhofften zweiten Sitz nicht. Und die EDU verlor ihren Sitz in Zürich.

 

Somit sitzen von der bisherigen EVP/EDU-Fraktion im neuen Parlament nur noch drei Nationalräte. Das reicht nicht für die Weiterführung dieser Fraktion, da es zur Bildung einer Fraktion mindestens fünf Ratsmitglieder braucht. Eine Neuorientierung war daher nötig. Christian Waber, der verbliebene Kollege der EDU schloss sich relativ rasch der SVP-Fraktion an.

 

Für uns beide wiedergewählten EVP-Nationalräte (Walter Donzé, BE und Ruedi Aeschbacher, ZH) kam ein eigentlicher Anschluss an eine bestehende grosse Fraktion jedoch nicht in Frage. Klar war aber auch, dass wir in Bern nicht als „freischwebende Einzelmasken“ mittun wollten. Denn Nationalräte ohne Zugehörigkeit zu einer Fraktion haben keine Möglichkeit, um in einer oder gar zwei Kommissionen des Nationalrats Einsitz zu nehmen, also dort, wo vielfach die Weichen schon vor den Ratsdebatten entscheidend gestellt werden. Sie haben ferner nur sehr spärliche Informationen und kommen im Rat höchst selten zu Wort, haben also weder Einfluss auf das Geschehen im Bundeshaus, noch werden sie von den Medien und dem Volk wahrgenommen.

 

Darum nahmen wir unmittelbar nach dem Wahlsonntag intensive Gespräche zur Fraktionsbildung auf: Naheliegend war eine kleine gemeinsame Fraktion der zwei EVP- mit den drei glp-Nationalräten. Für diese war eine EVP/glp-Fraktion aber nur zweite Wahl. Sie liessen sich trotz intensiver Ueberzeugungsarbeit nicht von einer Variante abbringen, die einen Zusammenschluss von CVP, EVP und glp zu einer neuen, gemeinsamen Fraktion vorsah. Da es keine andere Partner für die Bildung einer kleinen Fraktion gab, nahm ich zur bestmöglichen Wahrung der EVP-Interessen sofort auch an den Gesprächen mit der CVP teil. Um das Projekt einer Fraktion aus den Nationalräten von CVP, EVP und glp wurde während vier Wochen verhandelt. Am vergangenen Samstagmorgen, 24. November, fielen die letzten Entscheide. Unmittelbar darauf wurde in einer Medienkonferenz die neue Fraktion vorgestellt.

 

Die Ergebnisse

In der neuen Fraktion CVP-EVP-glp haben sich die drei Partner zu einer Zweckgemeinschaft zusammengefunden. Gemeinsam wollen sie die politische Mitte stärken, der Polarisierung und Blockierung entgegenwirken, konstruktiv und konsensorientiert die drängenden Probleme in unserem Land anpacken und ihre Lösungen mehrheitsfähig machen. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit in der neuen Fraktion liegen in der Verbesserung der Situation der Familien, der Förderung eines starken Wirtschaftsstandortes Schweiz, der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen  und einer nachhaltigen Umweltpolitik.

 

Die drei Partner der neuen Fraktion behalten jedoch ihre politische und programmatische Eigenständigkeit sowie ihr Erscheinungsbild. Sind sie sich in wichtigen inhaltlichen Fragen nicht einig, so haben die Fraktionssprecher nicht nur den Mehrheitsstandpunkt, sondern auch die Auffassung der Minderheit darzustellen, bzw. die Minderheit erhält Gelegenheit, um ihre Ansicht selbst zu vertreten.

 

Organisatorisch entsteht also per 3. Dezember 2007, mit Beginn der neuen Legislaturperiode, die neue „Fraktion CVP-EVP-glp“. Eine „CVP-Fraktion“ wie auch die bisherige EVP/EDU-Fraktion gibt es dann nicht mehr. Die neue Fraktion umfasst 36 Mitglieder des Nationalrats und ist damit die drittstärkste Fraktion – noch vor jener der FdP und Liberalen, die 35 Mitglieder zählt. Die neue Fraktion CVP-EVP-glp erhält dank ihrer Stärke 11 Kommissionssitze mehr als einer „einfachen“ CVP-Fraktion mit 31 Mitgliedern zugefallen wären. Von diesen zusätzlichen 11 Kommissionssitzen geht einer an die CVP-Gruppe, die restlichen zehn Sitze erhalten die fünf glp- und EVP-Nationalräte.

 

Die neue Fraktion CVP-EVP-glp gliedert sich in drei Fraktionsgruppen: die „CVP-Gruppe der CVP-EVP-glp-Fraktion“, die „EVP-Gruppe der CVP-EVP-glp-Fraktion“ und die „glp-Gruppe der CVP-EVP-glp-Fraktion“. An den Fraktionssitzungen nehmen grundsätzlich alle Mitglieder teil. Nach den gemeinsamen Fraktionssitzungen können die einzelnen Fraktionsgruppen jedoch noch ihre gruppeninternen Sitzungen abhalten. Im Vorstand der neuen Fraktion ist den 5 Nationalräten der glp und EVP ein gemeinsamer Sitz garantiert.

 

Das Fraktionssekretariat wird von der CVP-Gruppe geführt. Es ist nur für die administrativen Geschäfte der Fraktion verantwortlich. Ihren wissenschaftlichen und kommunikativen Support organisieren die drei Fraktionsgruppen je selbst. Von den Räumlichkeiten, die der neuen Fraktion im Bundeshaus zugeteilt werden, erhalten die EVP- und die glp-Gruppe je ein mit der nötigen Infrastruktur ausgerüstetes Büro.

 

Beurteilung der neuen Situation

Die neue „grosse“ Fraktion aus CVP, EVP und glp ist ein klares Signal gegen die politische Polarisierung und für eine verstärkte lösungs- und konsensorientierte Politik der Mitte. Dieser Schritt liegt im Interesse des ganzen Landes. Die drei Parteien nehmen damit eine übergeordnete Verantwortung wahr.

 

Alle drei Partner ziehen aus der Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Fraktion Vorteile: Ohne ihre organisatorische und politische Eigenständigkeit zu verlieren, gewinnen sie – übrigens zu Lasten der SVP - zusätzliche Kommissionssitze und damit grösseren Einfluss auf die wichtige Kommissionsarbeit. Sie bringen mehr Kraft und Gewicht in die Verhandlungen und Entscheide des Parlaments ein. Sie können ihnen wichtige Themen besser besetzen und politisch breiter abstützen. Und die Vernetzung wird erleichtert.  

 

Die EVP-Nationalräte werden erstmals in einer Fraktion sein, zu der auch ein Mitglied des Bundesrates gehört. Das ergibt auch bessere Informationen und einen einfacheren Draht zur Regierung. Die Grösse der neuen Fraktion wird für uns ungewohnt, und die Arbeitsweise in der Fraktion damit gezwungenermassen etwas anders sein. Wir fürchten aber nicht, in der viel grösseren Fraktionsgruppe „unter zu gehen“ oder neben dieser nicht mehr erkennbar zu sein. Darum haben wir in den Verhandlungen auch so grossen Wert auf die Bezeichnung der neuen Fraktion gelegt und uns auch angemessene Redezeiten im Rat sowie das Recht gesichert, von der Fraktionsmehrheit abweichende Auffassungen äussern zu können.

 

Etwas verloren gehen wird die Flexibilität, die wir in der bisherigen „kleinen“ Fraktion genossen haben. Auch werden wir in der neuen Fraktion die Redezeiten im Rat mit 34 weiteren Kollegen und Kolleginnen und nicht mit nur zwei EDU-Kollegen aufteilen müssen. Damit werden die EVP-Nationalräte nicht mehr bei jenen sein, die am häufigsten am Rednerpult stehen. Wir müssen daher auf die Wahrnehmbarkeit unserer Arbeit noch stärker achten und flankierend die Medienarbeit der Partei und der EVP-Nationalräte verstärken.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Eine vernünftige Alternative zur vorgenommenen Fraktionsbildung hat angesichts der Haltung der glp-Nationalräte nicht bestanden. Die ausgehandelten Modalitäten der Zusammenarbeit in der neuen Fraktion bringen so viele Vorteile, dass die jetzt getroffene Lösung insgesamt als nahezu gleichwertig mit der von uns zuvor bevorzugten kleinen Fraktion EVP/glp betrachtet werden kann. Die EVP-Nationalräte bleiben eigenständig. Die Zusammenarbeit in der neuen grossen Fraktion, ist kein Schritt, auch kein „Vorschritt“ zu einer Fusion von CVP und EVP. Und die jetzt begründete Fraktion CVP-EVP-glp ist nur für die Dauer der nächsten vier Jahre angelegt. Das Ziel der EVP, eine Fraktion aus eigener Kraft zu erreichen, lassen wir nicht fallen. Es ist lediglich auf Oktober 2011 verschoben.

 

Ruedi Aeschbacher,

Parteipräsident und Nationalrat