Am nächsten Dienstag berät der Nationalrat die 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket. Marianne Streiff (EVP, BE) und Maja Ingold (EVP, ZH) begrüssen den neuen Finanzierungsmechanismus, die Preissenkungen bei den Hilfsmitteln und vor allem die Einführung des Assistenzbeitrags ausdrücklich. Als heikel erachten die EVP-Nationalrätinnen hingegen die eingliederungsorientierte Rentenrevision. Aufgrund der finanziellen Lage der IV sei ein Sparbeitrag zwar zwingend, meint Nationalrätin Marianne Streiff. „Die Zusatzfinanzierung ist zeitlich begrenzt und die IV muss saniert werden. Doch ohne grosszügige Vorgaben, beispielsweise der Neubeurteilung nach missglückten Arbeitserfahrungen oder eine zeitlich unbeschränkte Beratung und Begleitung der Rentenbeziehenden und ihrer Arbeitgeber geht es nicht.“ Bezüglich der geplanten Überprüfung der laufenden Renten von Personen mit organisch nicht erklärbaren Schmerzzuständen sei sie äusserst skeptisch, erklärt Marianne Streiff: „Hier nehmen wir den Bundesrat beim Wort, dass die in der Botschaft erwähnten Faktoren wie Mehrfacherkrankungen, chronische Begleiterkrankungen, der soziale Rückzug oder das Scheitern von Therapieversuchen auch wirklich anerkannt werden und der Rentenanspruch der Betroffenen nicht in Frage gestellt wird.“ Ihre Nationalratskollegin Maja Ingold doppelt nach: „Der Gedanke, dass eine Rente nicht mehr auf Lebenszeit gesprochen, sondern periodisch überprüft wird, scheint mir richtig. Doch sind die angepeilten Sparbeträge durch die Wiedereingliederungen absolut illusorisch: Weil die Betroffenen nach jahrelanger Arbeitsabwesenheit schwer vermittelbar sind im Arbeitsmarkt.“ Sie habe den Bundesrat mehrfach nach den bisherigen Erfahrungen und den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung gefragt. Die Antwort sei jeweils nichtssagend ausgefallen.
„Eingliederung kommt vor Rente, und Wiedereingliederung kommt vor dem lebenslangen IV-Rentnerdasein ohne Arbeit. Das ist auch der Wunsch der IV-Beziehenden“, betont Maja Ingold. Doch die Vorlage wolle die Wiedereingliederung allein mit Massnahmen auf der Seite der Betroffenen erreichen. „Man kann noch so sehr auf Eingliederung drängen, Einarbeitungszuschüsse und kostenlose Arbeitsversuche bezahlen – ohne das notwendige Engagement der Wirtschaft wird das Ziel der Vorlage nicht erreicht.“ Schon bei der 5. IV-Revision habe man behauptet, eine Quote sei schädlich und das freiwillige Engagement der Wirtschaft bringe viel mehr. Doch davon sei nichts zu spüren, beobachtet Ingold, ehemals Sozialvorsteherin der Stadt Winterthur: „Die Wirtschaft bleibt den Tatbeweis schuldig, dass sie bereit ist im erforderlichen Mass leistungsbeeinträchtige Menschen zu beschäftigen. Deshalb fordern wir nun eine Mindestquote von Arbeitnehmenden mit Beeinträchtigungen.“ Maja Ingold und Marianne Streiff favorisieren ein Modell, wonach Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden mindestens 2% Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigen müssen, weil es vor allem die grossen Firmen sind, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und die in die Pflicht genommen werden müssen. Mit einem Einzelantrag wird Maja Ingold diesen Mittelweg zwischen Kommissionsmehrheit (1% ab 250 Mitarbeitenden) und –minderheit (2% ab 100 Mitarbeitenden) in die parlamentarische Debatte einbringen.
Bern, den 9. Dezember 2010/nh/ms/mi