Bleibt die Kirche im Dorf?

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Bleibt die Kirche im Dorf?

Zurzeit wird im Kanton Bern darüber debattiert, wie das Verhältnis zwischen Kirche und Staat neu geordnet werden soll. Da es sich dabei um ein Kernthema der EVP handelt, sind wir als Partei in dieser Frage besonders herausgefordert.

Der Grosse Rat hat in einer 7-stündigen Marathondebatte u.a. entschieden, dass der Kanton zwar weiterhin die Pfarrerlöhne finanzieren soll, die Pfarrer selbst aber neu von den Kirchen angestellt werden. Ich persönlich habe diesen Entscheid des Parlaments unterstützt. Überall auf der Welt ist es der Normalfall, dass die Pfarrschaft von der Kirche angestellt und (geistlich) geleitet wird. Mit der Änderung des Angestelltenverhältnisses haben wir die Chance, eine gerade auch aus theologischer Sicht fragwürdige Situation zu ändern.

 

Vorsichtige Weiterentwicklung

Meiner Meinung nach muss die Partnerschaft zwischen Kirche und Staat vorsichtig weiterentwickelt werden. Nirgendwo in der Schweiz sind Staat und Kirche so eng miteinander verflochten wie im Kanton Bern. Angesichts der heutigen spirituellen bzw. religiösen Vielfalt jenseits der Landeskirchen ist das nicht mehr zeitgemäss. Mit der Entflechtung von Kirche und Staat erhalten die Kirchen zudem mehr Autonomie, um ihre Angelegenheiten verstärkt nach eigenen Massstäben zu gestalten sowie ihre Dienste nach theologisch und seelsorgerlich sinnvollen Kriterien zu gewichten. Dennoch sollen die historischen Rechte der Landeskirchen nicht einfach über Bord geworfen werden. Insbesondere die Reformierten sorgen dafür, dass die Kirche buchstäblich im Dorf bleibt und der Glaube nicht einfach ins Private abgedrängt wird.

 

Kooperation mit Freikirchen

Ich erwarte aber von den Landeskirchen, dass sie sich in Zukunft gegenüber den Freikirchen stärker öffnen und sich nicht weiterhin wie spirituelle Monopolisten aufführen. Viele Freikirchler bezahlen zusätzlich Kirchensteuern, weil ihnen auch die Landeskirchen am Herzen liegen. Es geht also darum, dass Landes- und Freikirchen vermehrt auf Augenhöhe zusammenarbeiten und den christlichen Glauben und das diakonische Anliegen gemeinsam in die Gesellschaft tragen.

 

Tiefergehende Erneuerung nötig

Zudem darf die geplante Neuregelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für eine tiefergehende Erneuerung der Landeskirchen mehr als nur Reformen struktureller Art bedarf. Die Kirchenstrukturen müssen mit Leben und konkreten Inhalten gefüllt werden. Eine echte und grundlegende Reform gelingt nur dann, wenn sich die Kirchen auf ihre Wurzeln und ihren Kernauftrag – das Wort Gottes und dessen Verkündigung – zurückbesinnen. Das ist die Basis, damit die Kirchen wieder zu einer gesellschaftlich relevanten und prägenden Kraft werden – zur Ehre Gottes und zum Segen der Bevölkerung.

 

Philippe Messerli, Grossrat und Mitglied Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen