News

Christliche Antworten auf Finanz- und andere Krisen

Auf Einladung von EVP und EDU hat heute der 5. Kongress des European Christian Political Movement (ECPM) in Bern stattgefunden. Hauptredner Dr. Bob Goudzwaard plädierte für eine „Kultur der Genügsamkeit“ anstelle einer zu stets noch grösserem Wachstum verdammten Weltwirtschaft. Die Verantwortung und die Wurzeln des Christentums lägen dabei im Teilen miteinander und im Sorgen füreinander.

Heute Donnerstag hat in Bern auf Einladung der EVP und EDU der 5. Kongress des European Christian Political Movement (ECPM) stattgefunden. Als erster Hauptreferent weitete Dr. Bob Goudzwaard, ehemaliges Mitglied des niederländischen Parlamentes, das Tagungsthema „Eine christliche Antwort auf die Finanzkrise“ („A Christian answer to the credit crunch“) entscheidend aus, indem er auf die gleichzeitig stattfindenden Ernährungs-, Energie-, Armuts-, Umwelt- und Sicherheitskrisen aufmerksam machte, welche voneinander abhängen und sich und die Wirtschaftskrise gegenseitig verstärken. In seinem Referat „A Christian-social perspective on the global economy” vertrat er die Ansicht, dass wir erstens globale Probleme und ihre Lösungen mit einer gewissen Kurzsichtigkeit oder sogar Blindheit zu betrachten pflegen. Zweitens postulierte Goudzwaard, dass wir in einer wachstumsorientierten Betrachtungsweise gefangen sind und alle Länder oder Individuen, die sich nicht ebenso schnell bewegen wie wir, vorschnell als rückständig, unterentwickelt oder schlicht faul taxieren. Hier gelte es auch die eigene Perspektive ständig zu hinterfragen und bewusst „Sichtweisen von aussen“ zuzulassen. Er plädierte drittens für eine „Kultur des Genugs“ statt einer Kultur des Wachstums, der ständig steigenden Konsumlevels. Diese Genügsamkeit bedeute nicht etwa Leid und Elend, sondern im Gegenteil Reichtum und die Freude des Gesättigtseins, des Genug-Habens. Abschliessend formulierte Goudzwaard drei konkrete Schritte: 1. Nachhaltigkeit und Solidarität dürfen nicht länger Lippenbekenntnisse bleiben. Statt möglichst rasch auf den Wachstumspfad zurückzukehren, muss die aktuelle Krise dazu genutzt werden, unsere Volkswirtschaften entsprechend umzubauen. 2. Wir müssen realisieren, dass wir alle im selben Boot sitzen. Die Idee der Sozialpartnerschaft muss umfassend belebt werden. Heute befriedigen wir bloss Interessengruppen statt gesellschaftlich reife Entscheidungen zu treffen. 3. Eine bescheidene Politik der kleinen Schritte tut not. Solange wir aufrichtig und stetig den jeweils nächsten Schritt für mehr Gerechtigkeit suchen und auch machen, besteht die Chance, dass – während wir ein Problem angehen – gleichzeitig andere Probleme mitgelöst werden.

 

Anschliessend referierte Dr. Andreas Walker, Strategieberater und Co-Präsident von swissfuture, zum Thema „Megatrends and Future Changes as Opportunities or as Threads for Christian Politics”. Als Megatrends bezeichnete Walker die zunehmende Unsicherheit, die steigende Lebenserwartung, den Aufstieg der elektronischen Medien, die Globalisierung sowie ihr Preis. In einem Stresstest für christliche Politik postulierte er Fragen wie: Wollen wir eine Zukunft? Wollen wir als Christen künftige Generationen und Gesellschaften prägen? Würden wir diese Fragen mit Ja beantworten, erfordere dies eine neue Theologie: Kirchen und Gemeinden dürften nicht passiv in der Erwartung der Wiederkunft Jesu verharren, sondern müssten die Menschen dazu ermutigen, im Sinne von Martin Luthers Apfelbaum Verantwortung für künftige Generationen zu übernehmen, ihre Schulden zurückzuzahlen und was sie haben, mit anderen zu teilen.

 

Prof. Emile Vanbeckevoort referierte zur Kreditkrise im engeren Sinn. Wirtschaft brauche Werte und Tugenden, das sei mittlerweile anerkannt. Es sei zutiefst unethisches Verhalten gewesen, Menschen Hypotheken zu vergeben, im Wissen, dass sie diese nicht werden bedienen können. Die Finanzkrise treffe nun vor allem die Ärmsten der Armen. Ehrliches und verantwortungsvolles Wirtschaften schliesse hingegen Gerechtigkeit für Arme und Unterdrückte mit ein.

 

Die ECPM ist eine politische Vereinigung von aktuell 22 christlich-demokratischen Parteien aus 16 europäischen Staaten. Die Bewegung will aus explizit christlich-sozialer Perspektive über Politik nachdenken und daran arbeiten. Sie stellt dabei den Menschen, seine Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und zur Schöpfung in den Mittelpunkt. Die ECPM ist im November 2002 im Anschluss an die Konferenz „Für ein christliches Europa“ in Lakitelek (Ungarn) entstanden. EVP und EDU sind seit 2007 Mitglied der ECPM.

 

Im Anschluss an die heutige, inhaltliche Tagung finden heute Abend die Vorstandssitzung und morgen Freitag der statutarische Mitgliederkongress der ECPM statt. Weitere Infos unter www.ecpm.info (allgemein) und www.ecpm.info/en/page/22865 (zum Kongress).

 

Bern, den 11. Juni 2009/nh