Da irrt Herr Blocher

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Da irrt Herr Blocher

Nationalrat Walter Donzé aus Frutigen BE schreibt über die Aussage von Bundesrat Christoph Blocher, er könne in der Entwicklungshilfe keinen Nutzen erkennen.

Die Linken schossen mit der Indiskretion über die Aussage von Bundesrat Blocher in der nationalrätlichen Kommission ein Eigengoal. Kommissionsprotokolle sind vertraulich; sie gehören nicht in die Medien. Und der Präsident der Staatspolitischen Kommission drückte sich offenbar nicht präzise aus. Dass die Afrikaner „faul“ seien, habe ich nicht gehört. Ein Steilpass für die SVP, um aus allen Rohren zu schiessen. Sie müsste aber ihren oppositionellen Bundesrat nicht als Heiligen behandeln. Samuel Schmid jedenfalls geniesst keine solche Pflege...

 

Die SP hätte nicht aus dem Protokoll zitieren müssen. Ähnlich pauschale Aussagen über den Wert der Entwicklungshilfe machte Bundesrat Blocher ja fast zeitgleich in mehr als einer Zeitschrift. Bei der Aufarbeitung des Vorfalls in der Kommission, der ich auch angehöre, gab ich zu Protokoll: Auch mich störte die Aussage Blochers. Spontan bemerkte ich nämlich gegenüber meinen SVP-Kollegen, ihr Bundesrat werde sich noch in die Materie einlesen müssen, wenn nächstes Jahr die Botschaften für die Entwicklungszusammenarbeit 2008-2011 ins Parlament kommen werden.

 

Der „Blick“ sucht momentan nach den zwei Fabriken, die Herr Blocher vor etwa zwanzig Jahren gebaut hat. Nach zwei Jahren habe man sie nicht mehr betreten können. Wenn das zutrifft, dann ist das nicht ein schlechtes Zeugnis für die Entwicklungshilfe, sondern für jene Firma und ihre Chefs. Oder was denken Sie von einem Unternehmer, der sein Geld ohne saubere Abklärungen in einem fremden Kulturkreis in den Sand setzt?

 

Nun ist Herr Blocher nicht der Mann der feinen Töne. Nicht zum ersten Mal macht er pauschale Aussagen. Im Abstimmungskampf zum Ausländer- und Asylgesetz (für deren Annahme auch ich mich einsetzte) behauptete er, die Kirchen „täten nichts“ im Asylbereich. Nun geht aus dem veröffentlichten Protokoll hervor, dass er gesagt hat: „Über den Nutzen (der Entwicklungshilfe) will ich nicht sprechen. Als Wirtschaftsmann erkenne ich keinen.“ Wenn er dann in Interviews noch eine Breitseite gegen Hilfswerke („Asylindustrie“) und die Entwicklungszusammenarbeit abfeuert (die seien nur da, damit sie etwas zu tun haben) – dann diskreditiert er nochmals Leute, die sich mit Herzblut einsetzen, damit sich weniger von den Betroffenen auf den Weg nach Europa machen, um hier über einen Asylantrag Anteil am westlichen Wohlstand zu bekommen. Das verletzt – nicht zuletzt auch unsere Aussenministerin, ihr Departement und insbesondere die Direktion für Entwicklungs-   zuzsammenarbeit. Und: Wie werden die Parlamente jener Länder reagieren, welche die kürzlich ausgehandelten Rückführungsabkommen noch zu ratifizieren haben?

 

Ich bin kein Feind Blochers. Er geniesst als Bundesrat meinen Respekt. Ich spreche offen mit ihm. Kritik bringe ich direkt und mit Anstand an. Aber auch Frau Calmy-Rey ist Mitglied der Landesregierung. Sie verdient ebenfalls meine Achtung. Einige Fragen beschäftigen mich schon nachhaltig: Mit dem Ausländergesetz haben wir die Türe für Arbeitswillige von ausserhalb Europas geschlossen. In der Beratung des Gesetzes wies ich darauf hin: Soll der Lazarus vor unserer Türe verhungern? Die Bürgerlichen sagen, man würde den Asylbewerbern besser zuhause helfen. Ist das eine Ausrede? Wie anders soll das geschehen, als durch (natürlich effiziente) Entwicklungshilfe, durch Bekämpfung der Korruption, fairen Handel, offenen Marktzugang und entschlossene Massnahmen zur Bekämpfung der Armut?

 

Wohl nirgends in der öffentlichen Verwaltung wird die Wirksamkeit der Programme strikter überprüft als in der Entwicklungszusammenarbeit. Wirtschaft, Forschung, Hilfswerke und Politiker arbeiten konstruktiv an ihrer Verbesserung, damit nicht nur Almosen verteilt, sondern Verhältnisse nachhaltig verbessert werden. Und nicht zuletzt resultieren aus erfolgreichen Programmen Handelsbeziehungen – die Investition kommt zurück!

 

Als Wirtschaftsmann, sagt Herr Blocher, erkenne er keinen Wert in der Entwicklungshilfe. Könnte es sein, dass er es als Bundesrat noch schafft? Und die Linken? Sie sind in den Fettnapf getreten. Wohl für beide Seiten nicht der beste Auftakt für das Wahljahr, welches sich durch neue, heftige Auseinandersetzungen und Blockaden ankündigt...

 

Walter Donzé

Nationalrat der EVP aus Frutigen BE