Der Sterbetourismus muss verhindert werden

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Der Sterbetourismus muss verhindert werden

Die EVP stellt mit Betroffenheit fest, dass sich in Basel-Stadt ein Fall von Suizidbeihilfe ereignen konnte, bei dem mutmasslich mehrfach Standes- und Ethikregeln verletzt worden sind. Die EVP fordert die Behörden auf, ihre Aufsichtspflichten wahrzunehmen, diesen Fall mit Nachdruck aufzuklären und die Einhaltung von Ethik- und Standesregeln zu gewährleisten. Gleichzeitig muss der Sterbetourismus unterbunden und die palliative Pflege weiter ausgebaut werden.

Anlässlich einer gemeinsamen Medienkonferenz präsentierten die EVP Schweiz und die EVP Basel-Stadt heute Montag in Basel einen brisanten Fall von Suizidbeihilfe, bei dem mutmasslich mehrfach Standes- und Ethikregeln verletzt worden sind. Am 11. April 2013 beging ein italienischer Staatsangehöriger in den Räumlichkeiten der Stiftung „Eternal Spirit“ in Basel Suizid. Zwei Tage vorher hatte die im Kanton Baselland praktizierende Ärztin und Präsidentin des Vereins „Life Circle“ (eng verbunden und verzahnt mit der genannten Stiftung) bereits das Rezept für die tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital ausgestellt, obwohl das notwendige ärztliche Zweitgutachten erst einen Tag später, am 10. April 2013 vorlag. Grundlage für die Freitodbegleitung war die Diagnose einer Lues tertiana im Endstadium; eine Krankheit, die nur durch Gewebeanalysen nach­­gewiesen werden kann. Auf entsprechende Laboruntersuchungen wurde jedoch verzichtet. Eine von den An­gehörigen verlangte Obduktion des Verstorbenen durch das Institut für Rechtsmedizin in Basel ergab keinerlei Anzeichen für die behauptete Krankheit. Gegenüber den Angehörigen gab die Präsidentin von „Life Circle“ ihrem Bedauern Ausdruck darüber, dass sie die Krankheitsgeschichte bzw. die ärztlichen Atteste aus Italien nicht verifiziert habe. Am 21. Oktober 2013 ersuchten die Angehörigen die Gesundheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft per Anwalt um Klärung, ob und inwiefern Standes- oder Ethikregeln verletzt worden seien.

 

Die Grossrätin Annemarie Pfeifer (EVP, BS) hegt den Verdacht, dass genau eine solche Verletzung vorliegt: „Der Verstorbene war nicht an Lues erkrankt, geschweige denn befand er sich im Endstadium dieser Krankheit. Damit waren die Voraussetzungen gemäss den Ethikrichtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften nicht erfüllt. Selbst wenn eine Lueserkrankung vorgelegen hätte, wäre die Suizidbegleitung mit den Standesregeln nicht zu vereinen gewesen, weil die Nähe des Todes fehlte. Insgesamt wecken die Fakten den dringenden Verdacht, dass eine ernsthafte medizinische Abklärung nicht gewollt war und die Sorgfaltspflichten verletzt worden sind.“ Die Riehener Grossrätin ist im Besitz von umfangreichen Unterlagen zum erwähnten Fall, der exemplarisch aufzeigt, dass bei der organisierten Suizidhilfe nicht alles so problemlos abläuft, wie man gerne glauben würde.

 

Für Landrätin Elisabeth Augstburger (EVP, BL) ist offensichtlich, dass Organisationen wie Eternal Spirit oder Dignitas mit ihren direkten oder indirekten Medienauftritten ein Zielpublikum im Ausland ansprechen, dem im Heimatland eine Suizidbeihilfe, wie sie in der Schweiz möglich ist, verwehrt ist. „Damit bewerben sie den Sterbetourismus aktiv. Doch in der kurzen Frist, in der diese Menschen in der Schweiz weilen, können Urteilsfähigkeit und Konstanz des Sterbewunsches unmöglich seriös abgeklärt werden. Zudem muss dies zwangsläufig von Ärzten vorgenommen werden, welche die Betroffenen und ihre Leidensgeschichte kaum kennen. Weiter kommen sprachliche und kulturelle Barrieren dazu, welche Missverständnisse oder Missbräuche begünstigen können. Schliesslich müssen wir uns auch überlegen, welche Belastung der Sterbetourismus für die Angehörigen bedeutet und was für ein Bild die Schweiz damit in der Welt abgibt.“

 

Für Heiner Studer, Präsident der EVP Schweiz, darf auch der finanzielle Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden. So hat der Verstorbene 8500 Euro an „Eternal Spirit“ überwiesen, nachdem er dieselbe Summe im 2010 schon Dignitas zukommen, den angebotenen Sterbetermin aber ungenutzt verstreichen liess. „Bei solchen Beträgen, die in keiner Weise mit entsprechenden Kosten belegt sind, besteht die Gefahr, dass der Sterbetourismus für  die Suizidhilfeorganisationen nicht zuletzt unter ökonomischen Gesichtspunkten interessant ist. Damit stellt sich aber die Frage, inwiefern der Straftatbestand der Suizidhilfe aus selbstsüchtigen Gründen gemäss Art. 115 StGB erfüllt ist bzw. ob die Suizidhilfeorganisationen und ihre Verantwortlichen weiter straffrei ausgehen dürfen.“ Für die EVP ist klar, dass mit der Beihilfe zum Suizid kein Geschäft betrieben werden darf.

 

Der dokumentierte Fall zeigt auf, dass es die Suizidhilfeorganisationen mit Standesregeln und Sorgfaltspflichten leider nicht immer so genau nehmen. Deshalb fordert die EVP die Behörden auf, ihre Aufsichtspflichten wahrzunehmen, abzuklären, wie es zum erwähnten Fall kommen konnte und insgesamt die Einhaltung von Ethik- und Standesregeln zu gewährleisten. Gleichzeitig muss der Sterbetourismus unterbunden und die palliative Pflege ausgebaut werden.

 

Die EVP reicht dazu in mehreren kantonalen Parlamenten den folgenden Vorstoss ein:

 

  • Die betreffende Kantonsregierung soll prüfen und berichten, wie sie ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen will und dazu insbesondere
  • a) eine jährlich zu aktualisierende Statistik der unter Mitwirkung von Suizidhilfeorganisationen durchgeführten Suizide veröffentlichen und
  • b) den Sterbetourismus einschränken und Missbräuchen in dessen Zusammenhang vorbeugen, indem etwa bei Patienten aus dem Ausland ein ausführliches Gutachten, das sich nach Schweizer Gepflogenheiten richtet, sowie eine Mindestzahl an Gesprächen verlangt wird.

 

Diesen Vorstoss wird Grossrätin Annemarie Pfeifer im Kanton Basel-Stadt einreichen (als Anzug), Landrätin Elisabeth Augstburger im Kanton Basel-Landschaft, Grossrätin Lilian Studer im Kanton Aargau (beide als Postulat) und Kantonsrat René Steiner im Kanton Solothurn (als Interpellation). Die EVP Kanton Zürich prüft derzeit, wie gewährleistet werden könnte, dass das ärztliche Zweitgutachten völlig unabhängig von der betreffenden Suizidhilfeorganisation und ihr nahestehenden Personen ausgestellt wird. Im Kanton Bern prüft die EVP mit Blick auf die neue Legislatur, wie der Sterbetourismus wirksam unterbunden werden kann. 

 

Zum Abschluss der Medienkonferenz griff EVP-Präsident Heiner Studer einige Vorstösse der letzten Jahre auf, mit denen die EVP in den kantonalen oder dem nationalen Parlament die Beihilfe zum Suizid einschränken wollte. Die Palette an vorgeschlagenen Massnahmen reichte dabei vom Ausbau der palliativen Pflege über ein Verbot der organisierten Suizidhilfe, der Konkretisierung der selbstsüchtigen Motive im Strafgesetzbuch, der Verhinderung des Sterbetourismus, den Schutz psychisch Kranken bis hin zu einem Suizidhilfeverbot in Spitälern und Pflegeheimen. Für den EVP-Präsidenten steht fest: „Der vorliegende Fall zeigt, dass die Suizidhilfeorganisationen Standesregeln und Sorgfaltspflichten teilweise massiv verletzen. Die Kantone können heute nicht gewährleisten, dass die Beihilfe zum Suizid im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. Weil die Suizidbeihilfe an Ausländerinnen und Ausländern besonders anfällig ist für Missbräuche und weil die Schweiz nicht als Zielland für Sterbewillige aus halb Europa herhalten soll, muss der Sterbetourismus dringend unterbunden werden. Weiter ist für die EVP offensichtlich, dass die Suizidhilfeorganisationen gegen das im Strafgesetzbuch verlangte Kriterium der Uneigennützigkeit verstossen. Sie müssen deshalb verboten werden.“

 

Basel, den 4. November 2013/nh