Staatsverträge vors Volk – jene mit Verfassungsrang

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Staatsverträge vors Volk – jene mit Verfassungsrang

EVP-Nationalrätin Marianne Streiff lehnt die Volksinitiative „Staatsverträge vors Volk!“ ab. Sie sei interpretationsbedürftig und vergrössere die Macht der Kantone unverhältnismässig. Hingegen nehme der Gegenvorschlag berechtigte Punkte der Initiative auf. Er verlangt, dass jene Staatsverträge, welche eine Verfassungsänderung erfordern oder einer solchen gleichkommen, dem Volk vorgelegt werden.

Heute Mittwoch hat der Nationalrat die Volksinitiative "Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)" beraten. Die "Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz (Auns)" will damit bewirken, dass völkerrechtliche Verträge in "wichtigen Bereichen" künftig zwingend der Volksabstimmung unterbreitet werden. Die Initianten versuchen, mit ihrem Begehren auf ein tatsächliches Unbehagen im Volk zu reagieren, wie EVP-Nationalrätin Marianne Streiff bereitwillig einräumt: "Die Behauptung, in Bundesbern würden immer mehr Staatsverträge abgeschlossen, die uns verpflichteten, fremdes Recht sowie Folgerecht - das wir beim Vertragsabschluss noch gar nicht kennen - zu übernehmen, ist nicht aus der Luft gegriffen." Sie begrüsse es, dass dem Stimmvolk künftig eine grössere Beteiligung in der Aussenpolitik ermöglicht werden soll.

 

"Aber wie so oft bei Initiativen schiesst auch diese über das Ziel hinaus", ist Marianne Streiff überzeugt. Die Volksinitiative sei ganz klar interpretationsbedürftig. Trotz gegenteiliger Aussagen der Initianten sei nämlich unklar, was unter Staatsverträgen in "wichtigen Bereichen" zu verstehen sei. Marianne Streiff fürchtet den viel zu grossen Auslegungsspielraum: "Nur eine lange Anwendungspraxis könnte zur Klarheit führen. Und diese Praxisdauer fehlt unserem Lande bis jetzt." Weiter würde die Volksinitiative nicht nur das Gewicht des Stimmbürgers, sondern vor allem jenes der Kantone verstärken. Und zwar so massiv, dass es zum Beispiel auch bei Vorlagen, die sie nicht direkt und nachhaltig betreffen, fast einem Vetorecht über die Mehrheit der Stimmberechtigten gleichkäme.

 

Die EVP begrüsst es deshalb, dass der Bundesrat dem Parlament einen direkten Gegenentwurf unterbreitet hat. Dieser verlangt das obligatorische Referendum bei "wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen", wenn es um völkerrechtliche Verträge geht, die den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften vorsehen oder wenn es um Verträge geht, die eine Änderung der Bundesverfassung erfordern oder einer solchen gleichkommen. Marianne Streiff ist überzeugt, dass der bundesrätliche Gegenentwurf viel klarer formuliert sei als die Initiative und gleichzeitig die Rechte und Zuständigkeiten des Stimmbürgers verbessere. Bei Staatsverträgen, die in der Bundesverfassung klar dem fakultativen Referendum unterstellt werden, werde demnach nichts geändert. Hingegen erweitere und präzisiere der Gegenentwurf das obligatorische Referendum in Bereichen, die nicht eindeutig geregelt seien. Schlusswort von EVP-Nationalrätin Marianne Streiff heute Morgen im Rat: "Da die Initiative auf einen wunden Punkt zeigt, jedoch unklar ist und der Gegenvorschlag aus meiner Sicht die offenen Punkte aufnimmt, unterstütze ich den Gegenvorschlag und lehne die Initiative ab."

 

Bern, den 13. April 2011/nh