Unsere Demokratie ist zu Korrekturen fähig

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Unsere Demokratie ist zu Korrekturen fähig

Nationalrat Walter Donzé jubelt nicht über die Abwahl von Christoph Blocher. Dennoch ist er froh, dass unser demokratisches System zu Korrekturen fähig ist: weil er das Heil der Schweiz nicht von einer Person erwartet, die über alle anderen erhoben wird.

Nationalrat Walter Donzé reagiert in der Berner Oberländer Regionalzeitung "Frutigländer" auf einen Text von SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh vom 4. Januar, der die Sicht der linientreuen SVP-Mitglieder spiegelt.

 

"Wandfluhs Beschreibung von Bundesrätin Widmer-Schlumpf belegt, dass es innerhalb der SVP durchaus auch andere Ansichten gibt. Es sei mir deshalb erlaubt, zu einigen Aussagen auch die andere Position zu beschreiben:

 

In keiner Weise soll der Wahlerfolg der SVP geschmälert werden. Aus einem Wähleranteil von 29 Prozent jedoch die alleinige Regierungsverantwortung abzuleiten, ist undemokratisch. Nicht nur die SVP – auch Grüne, CVP und die Berner EVP (+ 20 % Wählerstimmen) gehören zu den Wahlsiegern. Unsere Demokratie lebt davon, dass Minderheiten eingebunden werden. Wie aus einer repräsentativen Umfrage hervorgeht, hätte Herr Blocher auch bei einer Volkswahl keine Mehrheit gefunden.

 

„Die Wähler wurden verraten.“ Diese Auffassung teile ich nicht. Es gibt kein repräsentativeres Wahlgremium für den Bundesrat als die gewählten Volksvertreter. Und – erlauben Sie mir diese unangenehme Feststellung – die Abwahl von Bundesrat Blocher wäre ohne bedeutende FDP-Stimmen (und einer Handvoll sogar aus der SVP) nicht zustande gekommen. Vor vier Jahren haben zahlreiche bürgerliche Parlamentarier Blocher „einbinden“ wollen. Im Rückblick auf die letzte Legislatur haben es nicht mehr alle so gesehen. 

 

Es trifft zu, dass SP und Grüne beabsichtigten, Blocher zu stürzen. Die Darstellung von Hansruedi Wandfluh, die CVP/EVP/glp-Fraktion hätte sich mit ihnen verbündet, entspricht nicht den Tatsachen. Im Gegenteil: Die CVP hätte ihren zweiten Sitz, den ihr Christoph Blocher vor vier Jahren entrissen hat, zurückerobern können. Sie hat dies nicht getan. Der CVP-Präsident und der Fraktionschef bekannten sich vor der Fraktion zur Konkordanz. Niemand bestritt den SVP-Anspruch auf zwei Bundesräte. Obwohl Urs Schwaller als ehemaliger Finanzdirektor Frau Widmer-Schlumpf sehr gut kannte, hatte er im letzten halben Jahr keinen persönlichen Kontakt mit ihr. Ihr Name kam erst am Tag vor der Wahl ins Gespräch.

 

Ultimativ drohte die SVP ihren Regierungsrätinnen und –Räten mit dem Ausschuss, wenn sie sich aufstellen liessen. Frau Widmer-Schlumpf wurde nach Annahme der Wahl als Verräterin bezeichnet. Ist das die feine Art? Die nächsten vier Jahre werde ich ausgerechnet mit den zwei verschmähten Bundesratsmitgliedern zu tun haben. Sie sind meiner Unterstützung sicher, genau wie ich mit Bundesrat Blocher zusammenarbeitete.

 

Noch ein letzter Fehlschluss muss korrigiert werden. EVP und Grünliberale stehen nicht links. Beide Parteien vertreten eine Politik der Mitte. Wirtschaftsfeindlich sind beide nicht. Als EVP-Politiker fühle ich mich in der Familienpolitik und bezüglich der christlichen Werte mit der CVP verbunden. Mit den Grünliberalen teile ich eine wirtschaftsfreundliche ökologische Sorgfalt. Der sparsame Umgang mit unseren Ressourcen und die Sicherung der Sozialwerke sind keine politischen Fehlleistungen.

 

Ich gehöre nicht zu denen, die über die Abwahl von Christoph Blocher jubeln. Aber ich bin froh, dass unser demokratisches System auch Korrekturen anbringen kann. Ich hege kein Feindbild Blocher. Aber ich erwarte das Heil für unsere Nation nicht von einer Person, die über alle anderen erhoben wird. Ein wichtiger unpolitischer Verantwortungsträger sagte mir am Tag nach der Bundesratswahl: „Herr Donzé, jetzt habe ich wieder Vertrauen in die Institutionen!“ In diesem Sinne schaue auch ich zuversichtlich in die Zukunft."

 

Walter Donzé,

Nationalrat