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Wahlziel verpasst – Mut nicht verloren

Eine Woche nach dem unglücklichen Wahlausgang haben sich die Delegierten der EVP in Sursee zur 2. ausserordentlichen Delegiertenversammlung getroffen. Auf dem Programm stand nebst der Auswertung der Nationalratswahlen die Unternehmenssteuerreform II. Weil zuerst die Familien entlastet werden müssen, wird sie von der EVP zur Ablehnung empfohlen.

Heute Samstag fand in Sursee die 2. ausserordentliche Delegiertenversammlung der EVP Schweiz statt. Im Mittelpunkt stand – nebst der Auswertung der Nationalratswahlen vom Wochenende – die Unter­nehmenssteuerreform II, zu der die Nationalräte Otto Ineichen (FDP, LU) und Walter Donzé (EVP, BE) als Pro- beziehungsweise Kontrareferenten auftraten. Während Ineichen betonte, wie wichtig die Linderung der Doppelbesteuerung gerade bezüglich Nachfolgeregelungen für Familienunternehmen sei, bat Donzé die Delegierten aus folgenden Gründen die Nein-Parole zur Unternehmenssteuerreform II zu beschliessen:

  1. Zuerst muss die Reform der Familien- und Ehepaarbesteuerung an die Hand genommen werden. Sonst bleibt für diese nach der Unternehmenssteuerreform wieder kein Geld mehr übrig.
  2. Die durch die Unternehmenssteuerreform entstehenden Steuerausfälle werden durch den Zuzug von Unternehmen nicht mehr wettgemacht werden können.
  3. Die EVP hat nichts gegen die Linderung der Doppelbesteuerung von Dividenden, aber der Prozentsatz, den das Parlament hier festgelegt hat, ritzt den Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ist damit ungerecht.
  4. Der Grundsatz «Dividende statt Lohn» ist problematisch; er erlaubt den Firmeninhabern, ihr Salär an den Sozialversicherungen vorbei zu beziehen.
  5. Es gibt keine Not, die Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt weiter zu entlasten. Wir müssen auch an die Gerechtigkeit im internationalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Firmen denken.

Die EVP ist bereit, eine moderate Lösung zur Linderung der Doppelbelastung von Dividenden mitzutragen. Zuerst müssen aber zwingend die Familien entlastet werden. Wer zudem den Bogen überspannt, eine Maximallösung zugunsten seiner Klientel durchboxt und jede Kompromissbereitschaft vermissen lässt, kann nicht auf die Unterstützung der EVP zählen: nach angeregter Diskussion beschlossen die Delegierten deshalb schliesslich mit 76 zu 15 Stimmen ein Nein zur Unternehmenssteuerreform II. Otto Ineichen, profilierter und eigenständiger Querdenker, liess sich dadurch nicht beirren und lud die zwei Nationalräte der EVP umgehend in die FDP-Fraktion ein, weil dieser die Werte der EVP gut tun würden.

 

Anschliessend diskutierte die Partei das Wahlergebnis vom letzten Wochenende, die von der EVP im Wahlkampf gesetzten Schwerpunkte und die diesbezüglichen Verbesserungsmöglichkeiten. Die EVP hat ihr Wahlziel klar verpasst. Statt der angestrebten Fraktionsstärke stellt sie nach der nicht geglückten Wiederwahl von Heiner Studer (EVP, AG) bloss noch zwei Nationalräte: Ruedi Aeschbacher aus dem Kanton Zürich und Walter Donzé aus dem Kanton Bern. Daneben konnte Parteipräsident Ruedi Aeschbacher aber auch Positives erwähnen: fast in allen Kantonen konnte die EVP zulegen, gesamtschweizerisch erhöhte sie ihren Wähleranteil leicht von 2.3 auf 2.4 Prozent. In den Kantonen Genf und Neuenburg erreicht sie auf Anhieb 1.2 Prozent, im Kanton Schwyz bei der ersten Teilnahme immerhin 0.9 Prozent. Auch in ihren Stammlanden ist es der EVP gelungen, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen: dabei schwingen die EVP Kanton Waadt mit plus 76.3 Prozent, die EVP Kanton Solothurn mit plus 60 Prozent und die EVP Kanton St.Gallen mit plus 45.7 Prozent obenaus. Besonders erfreulich – weil auf hohem Niveau – aber der Zuwachs der EVP Kanton Bern, der es gelungen ist, 18.9 Prozent zusätzliche Wählende für sich zu gewinnen. Jetzt gilt es in den kommenden kommunalen und kantonalen Wahlen auf diesem Wählerpotential aufzubauen: so wird die Fraktionsstärke bei den Nationalratswahlen 2011 für die EVP wieder zum Thema. Auch heute Samstag kann die Frage nach der Fraktionsgemeinschaft in den kommenden vier Jahren noch nicht beantwortet werden: die EVP ist im Gespräch mit CVP, GLP und EDU. Sie favorisiert eine Sechserfraktion mit GLP und EDU.

 

Abschliessend richtete Noch-Nationalrat Heiner Studer das Wort an die Delegierten. Er rief dazu auf, das Positive stärker zu gewichten als das Negative und somit nicht seine verpasste Wiederwahl in Erinnerung zu behalten, sondern auf den ermutigenden Resultaten in den Kantonen aufzubauen. Persönlich werde er sich beruflich zwar neu orientieren müssen, er schliesse aber nicht aus, dass er in Zukunft nicht noch mehr in der EVP mitarbeiten werde. Für seine ermutigenden Worte und seine Verdienste als EVP-Nationalrat in den letzten acht Jahren erntete Heiner Studer die stehenden Ovationen seiner Parteikolleginnen und –kollegen.

 

Sursee, den 27. Oktober 2007/nh